Schlichtung: Außergerichtlich Streit beilegen

18.01.1025. Ob der Kauf eines Brötchens oder eines Haushaltgeräts, ob eine Reisebuchung, der Abschluss eines Versicherungsvertrages oder die Beauftragung eines Handwerkers – Konsumenten treffen täglich eine Vielzahl von Entscheidungen. Sie wickeln dabei viele Rechtsgeschäfte selbst und in eigener Verantwortung ab. Solche Verträge mit Herstellern, Händlern und Dienstleistern gehören oft unbewusst zum normalen Verbraucheralltag. Doch nicht immer lassen sich diese Geschäfte reibungslos abwickeln. Die VERBRAUCHER INITIATIVE informiert.

Es gibt Mängel an der Ware, Produkte, die nicht dem Angebot entsprechen oder Angebote, die sich als Verkaufstrick entpuppen. Diesen Situationen sind Verbraucher nicht schutzlos ausgeliefert. Zahlreiche Gesetze, Regelungen und Richtlinien bieten den Rahmen für einen vielfältigen Verbraucherschutz.

Aus Verbrauchersicht geht es nicht nur um die Kontrolle von Produkten und Dienstleistungen oder die Stärkung von Verbraucherrechten, sondern auch um die weiter zu fassende Stärkung der Verbrauchersouveränität. Konsumenten müssen ihre Handlungsoptionen, d.h. ihre Rechte und Pflichten, kennen. Sie müssen entscheiden können, welche Alternative sie individuell und selbstverantwortlich sinnvollerweise wählen.

Über die Jahrzehnte hinweg haben Verbraucher gelernt, vermehrt auf die Qualität von Produkten zu achten und die unterschiedlichen Unterstützungsangebote (Testübersichten, Beratungsangebote etc.) zu nutzen. Viele Konsumenten fühlen sich allerdings in einem Konfliktfall überfordert. Sie kennen und nutzen alternative Streitbeilegungsoptionen zu wenig, die juristischen Auseinandersetzungen nehmen auch deshalb zu.

Alternativen. Verbraucher, die das Risiko einer juristischen Auseinandersetzung scheuen, haben heutzutage weitere Möglichkeiten, ohne Kostenbelastung und mit Hilfe neutraler Einrichtungen ihre berechtigten Interessen durchzusetzen. Das am 01. April 2016 in Kraft getretene Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBV) bietet ihnen die Möglichkeit, in Streitigkeiten mit Unternehmen eine außergerichtliche, staatlich anerkannte Streitbeilegungsstelle einzuschalten, um so ohne Kosten ggf. zu einer gemeinsamen Konfliktlösung zukommen.

Dieses Gesetz gibt Anforderungen bezüglich Fachkompetenz, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Transparenz des Streitbeilegungsverfahrens und der Streitmittler vor. Anwendbar ist es auf Kaufverträge sowie beispielsweise Beförderungsverträge im öffentlichen Personennahverkehr oder Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen. Arbeitsvertragliche Streitigkeiten sind ausgenommen. Die Streitigkeiten können vertragliche Rechte oder Pflichten betreffen wie auch die Frage, ob ein solches Vertragsverhältnis überhaupt besteht. Der Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle hemmt die Verjährung des fraglichen Anspruchs.

Das Gesetz ist Teil der Umsetzung der Richtlinie 2013/11/EU (ADR-Richtlinie) des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Verbrauchern bei Differenzen aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen mit Unternehmern außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung zu stellen. Konsumenten sollen so die Möglichkeit haben, ihre Rechte aus einem Verbrauchervertrag mit einem Unternehmen in einem außergerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Dieses muss gesetzlich vorgegebenen Qualitätsanforderungen genügen und durch die Anerkennung der Streitbeilegungsstelle staatlich abgesichert werden.

Schlichtungsstellen. Die Verbraucherschlichtungsstellen werden von privaten eingetragenen Vereinen (§ 3 Abs. 1 VSBG) getragen. Diese richten Schlichtungsstellen ein, die erst nach der Anerkennung durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) zu Verbraucherschlichtungsstellen werden. Unternehmen sind verpflichtet, im Streitfall schriftlich auf das Verfahren und eine zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen. Sie müssen verständlich und leicht zugänglich erklären, ob sie bereit oder verpflichtet sind, an einer Schlichtung vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen oder ob sie einen solchen Schlichtungsversuch ablehnen. Das Interesse an Verbraucherschlichtung ist seitens der verbraucherseitig in den letzten Jahren gewachsen. Vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie hat sich die Verbraucherschlichtung als wichtiges und hilfreiches Mittel der außergerichtlichen Konfliktlösung erwiesen.

Das Streitbeilegungsverfahren endet, wenn die Parteien den Schlichtungsvorschlag des Streitmittlers akzeptieren oder die Schlichtungsstelle den erfolglosen Einigungsversuch feststellt. Steht eine branchenspezifische Schlichtungsstelle nicht zur Verfügung, gibt es seit Januar 2020 die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung über die Universalschlichtungsstelle des Bundes. Das außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren schließt den Zugang zu den staatlichen Gerichten nicht aus.

Universalschlichtungsstelle. Mit dem Inkrafttreten des Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) nahm das Zentrum für Schlichtung e.V. seine Tätigkeit im April 2016 auf. Seit Januar 2020 führt es seine Tätigkeit als Universalschlichtungsstelle des Bundes fort. Zum Zwecke der Einrichtung dieser Stelle fand ein offenes und EU-weites Ausschreibungsverfahren statt.

Mit der Universalschlichtungsstelle des Bundes kommt es bei Streitigkeiten zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmern eine außergerichtlichen Streitbeilegung, wenn keine branchenspezifische Schlichtungsstelle gibt. Mit dem auf Freiwilligkeit beruhenden Verfahren leistet die Universalschlichtungsstelle hier einen Beitrag zur einfachen, schnellen Konfliktlösung bei Unstimmigkeiten. Dabei leistet sie neben rund 7.100 Schlichtungsanträgen bundesweit und weiteren 18.700 Anfragen eine wichtigen Service- und Lotsenfunktion.

Auf www.universalschlichtungsstelle.de finden Interessierte ausführliche Informationen dazu, was Schlichtung bedeutet sowie die Kontaktdaten der weiteren in Deutschland tätigen Verbraucherschlichtungsstellen.

Schlichtung in der EU. Für Streitigkeiten aus Verträgen, die Verbraucher eines EU-Mitgliedstaates, Norwegen, Island oder Liechtenstein mit einem in der EU, Norwegen, Island oder Liechtenstein niedergelassenen Unternehmen über das Internet abgeschlossen haben, hat die Europäische Kommission eine Streitbeilegungsplattform eingerichtet.

Bei Streitigkeiten aus einem Onlinekauf- oder -dienstleistungsvertrag zwischen Verbrauchern und Händlern in der EU, Norwegen, Island oder Liechtenstein können Verbraucher über diese OS-Plattform die jeweils zuständige Streitbeilegungsstelle finden, die sich mit ihrem Anliegen befasst. Die Nutzung dieser von der Europäischen Kommission betriebenen OS-Plattform ist kostenlos und in allen EU-Sprachen, in Isländisch und Norwegisch möglich. Verbraucher können die Plattform nutzen, um nach der besten Lösung für Ihr Verbraucherproblem zu suchen. Dabei können Sie entweder direkt mit dem Unternehmen über eine Lösung Ihres Problems sprechen oder aber eine Streitbeilegungsstelle suchen, die Ihren Fall bearbeiten soll.

Als nationale Kontaktstelle für Online-Streitbeilegung berät das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland (odr@evz.de, Tel. 07851/ 991 48 60) auch rund um das europäische Portal für Online-Streitbeilegung und leitet durch das Verfahren. Die Beratung umfasst die Funktionsweise der Plattform, Verbraucherrechte, Schlichtungsstellen (Zuständigkeit, Verfahrensregeln etc.) und auch andere Hilfsangebote, wenn Schlichtung einmal nicht weiterhilft.

Vorteil Schlichtungsverfahren. Ein unparteiisches Schlichtungsverfahren hat einige Vorteile: So ist das niederschwellige Verfahren für Verbraucher in der Regel kostenlos und flexibler als ein Gerichtsverfahren. Für Unternehmen ist es eine kostengünstige Lösung, manche Einrichtungen (Bundesverband Direktvertrieb, Trusted Shops…) übernehmen für ihre Mitglieder ganz oder teilweise die Verfahrenskosten. Die Schlichtungsvorschläge mit ausführlicher, neutraler rechtlicher Bewertung werden den hohen qualitativen Anforderungen des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) gerecht. Die Abwicklung erfolgt zügig, der Zugang ist unkompliziert (Mail, Brief, Fax, online). Ein Streitschlichtungsverfahren hemmt eine drohende Verjährung.

Zur Verbraucherschlichtung hat das Bundeministerium der Justiz einen 68-seitigen Leitfaden veröffentlicht, der dort kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden kann. Das Bundesamt für Justiz hat eine Liste der Verbraucherschlichtungsstellen veröffentlicht, die online und als Print erhältlich ist.

Eine Übersicht der Schlichtungsstellen in Deutschland und Europa finden Sie unter: www.evz.de/einkaufen-internet/odr-adr/schlichtungsstellen-deutschland.