Kaffeefahrten

So werden preisgünstige Tagesausflüge und mehrtätige Reisen per Bus bezeichnet, die mit Verkaufsveranstaltungen verbunden sind. Zielgruppe sind häufig ältere Menschen (ab 65 Jahren).

Die Reiseveranstalter spekulieren darauf, dass die Interessenten den Ausflug zu einem ansprechenden Ziel, das Zusammensein mit anderen Menschen und die geringen Kosten in den Vordergrund stellen. Dafür sind sie oftmals bereit, die beispielsweise als Informationsveranstaltungen getarnten Werbe- und Verkaufsshows für die unterschiedlichsten Waren zu akzeptieren.

Das Verkaufspersonal ist rhetorisch und psychologisch ausgesprochen gut geschult. Für die organisatorischen Belange bei der Fahrt und vor Ort ist Begleitpersonal mit von der Partie.

Die Produkte werden zu angeblichen Sonderpreisen oder vermeintlich besonders günstigen Konditionen angeboten. Bei genauerem Hinsehen und dem Vergleich mit anderen Waren entpuppen sie sich in der überwiegenden Zahl der Fälle als minderwertig und stark überteuert.

Das Geschäft lohnt sich für die Veranstalter, denn jährlich nehmen Schätzungen zufolge rund fünf Millionen Menschen in Deutschland an solchen Kaffeefahrten teil. Der dabei erzielte Umsatz wird auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt. 

Die Ankündigungen

Über Anzeigen oder Beilagen in Zeitungen oder Hauswurfsendungen werben die Veranstalter für die Fahrten. Mit verlockenden Beschreibungen des Programmes, des Zielortes und weiteren Versprechungen wie kleinen Geschenken, Einladungen zum Essen und kostenlosen Besichtigungen sollen Ihnen die Buchung dieser Ausflüge oder Kurzreisen schmackhaft gemacht werden.

Eine weitere betrügerische Masche sind Gewinnbenachrichtigungen, die Sie zur Teilnahme an solchen Kaffeefahrten bringen wollen. Die Veranstalter schreiben dabei gezielt Personen an, von denen sie annehmen oder wissen, dass sie zur Gruppe der älteren Menschen gehören. Zu vermuten ist, dass mit den Adressen innerhalb der Veranstalter solcher dubioser Fahrten Handel betrieben wird.

In dem Schreiben wird Ihnen vorgegaukelt, dass Sie einen Preis gewonnen hätten, den Sie und andere Gewinner bei einer Veranstaltung im Rahmen eines Tagesausfluges überreicht bekämen. Um Ihren Gewinn in Empfang nehmen zu können, müssten Sie an der Fahrt teilnehmen. Aussichten auf angeblich weitere Gewinne, Geschenke, den Besuch von touristischen Attraktionen sowie kostenfreie Speisen und Getränke sollen Sie dazu bewegen, mitzufahren.

Tipps
  • Seien Sie äußerst skeptisch bei besonders günstigen Reisen, zu denen Informationsveranstaltungen zu Ernährung, Gesundheit, Absicherung im Alter und anderen Themen oder Besichtigungen von handwerklichen Fertigungsbetrieben und Manufakturen gehören.
  • Ausgeprägtes Misstrauen ist ebenfalls bei Gewinnmitteilungen angebracht. Haben Sie nicht an einem Gewinnspiel oder einer Verlosung teilgenommen, haben Sie auch nichts gewonnen. Wenn doch, ist es ausgesprochen unseriös, die Ausgabe des Gewinns an Bedingungen zu knüpfen, in dem Fall an die Teilnahme an einer Reise.
  • Falls Sie dennoch an Kaffeefahrten teilnehmen möchten, machen Sie sich klar, dass Sie wenig erwarten können. Holen Sie vorab Informationen über den Veranstalter ein, z. B. durch eine Recherche im Internet oder erkundigen Sie sich bei Ihrer Verbraucherzentrale.
  • Lassen Sie sich nicht zu unüberlegten Käufen oder Verträgen verleiten. Wenn Sie nicht bei der  Verkaufsveranstaltung dabei sein möchten, kann der Veranstalter Sie nicht dazu zwingen.
  • Falls Sie doch etwas kaufen möchten, prüfen Sie den Kaufvertrag genau. Achten Sie auf eine vollständige Firmenadresse, die Aufklärung über Ihr Widerrufsrecht, ein korrektes Datum und darauf, dass Sie eine Kopie bekommen. Fragen Sie den Verkäufer nach seinem Personalausweis, um seine Identität zu überprüfen. Zahlen Sie nicht vorab, leisten Sie keine Anzahlungen und zahlen Sie auch nicht in bar. Günstiger ist das Lastschriftverfahren, denn hier können Sie im Notfall den Betrag innerhalb einer Frist von acht Wochen zurückbuchen lassen.

Die Realität 

Die Zielorte entpuppen sich keinesfalls als beliebte touristische Orte, sondern liegen irgendwo auf dem Land. Angesteuert werden möglichst abgelegene Gaststätten, die sich nicht in unmittelbarer Nähe von öffentlichen Verkehrsmitteln befinden.

Angekündigte Leistungen werden zu falschen Versprechungen oder fallen ersatzlos aus. So kann sich beispielsweise die Anreise hinziehen, weil der Bus unterwegs mehrmals Station macht, um weitere Reisende einzusammeln. Dann bleibt keine Zeit mehr für die geplanten Besichtigungen. Oder es werden, anders als im Vorfeld dargestellt, Eintrittsgelder fällig, der vorbereite Mittagsimbiss muss doch aus eigener Tasche bezahlt werden oder besteht nur aus einem belegten Brötchen.

Spätestens dann wird klar, dass die Beschreibung der Reiseleistungen in der Anzeige oder bei der Gewinnankündigung bewusst so formuliert ist, dass sie in die Irre leiten sollen. Das zeigen auch die folgenden typischen Beispiele.

Leere Versprechungen

  • „Ihr mindest Preis beträgt 499 Euro!“ heißt: Bei der Veranstaltung wird z. B. ein Fahrrad für 499 Euro angeboten.
  • „Für Ihr leibliches Wohl ist im Restaurant reichhaltig gesorgt: Frühstück, Mittagessen. Freigetränk inklusive!“ heißt: Zu den von den Teilnehmern zu zahlenden Mahlzeiten wird ein Glas Wasser gereicht.
  • „Sie erhalten 20 Euro für jeden mitgebrachten Kunden!“ heißt: Die mitgebrachte Person ist zunächst nur Gast. Erst, wenn sie etwas kauft, wird aus ihr ein Kunde. Die Summe wird beim Kauf einer Ware verrechnet.
  • „Zusätzlich erhalten alle Ehepaare einen Präsentkorb!“ heißt: Nicht jedes einzelne Ehepaar, sondern alle Ehepaare, die an der Veranstaltung teilnehmen, bekommen einen einzigen Präsentkorb, der dann geteilt werden kann.
  • „Sie werden von einem hochmodernen Reisebus kostenlos abgeholt!“ heißt: Von der Rückfahrt ist keine Rede, in Extremfällen wird für die Rückfahrt eine „Buchungs- und Versicherungsgebühr“ erhoben.
  • „Als besonderes Geschenk wird unter den Teilnehmern ein Solar-Wäschetrockner oder ein Handstaubsauger oder ein Schlemmerpaket verlost“. Versprochene Geschenke entpuppen sich immer wieder als minderwertige Ramschware. Der Wäschetrockner mutiert zur Wäscheleine, der Handstaubsauger wird zum Plastiktischroller und das Schlemmerpaket zur Tütensuppe.

Tricks

Zwischenziele auf der Reise, die im Anschreiben angekündigt wurden, werden nur gestreift oder das Reiseziel wird kurzfristig geändert. In der Vergangenheit wurden die Teilnehmer über die genaue Örtlichkeit bewusst im Unklaren gelassen. Ebenso wurden gezielt Orte angesteuert, die keine Verbindung zu Mobilfunknetzen haben.

Inzwischen haben die Veranstalter einen weiteren Weg gefunden, zusätzlich Geld zu verdienen. Für den (wahrscheinlich auch eintretenden) Fall, dass ein Rückfahrtbus nicht oder verspätet kommt, erhalten die Teilnehmer eine Rufnummer in ihren Reiseunterlagen. Dabei handelt es sich jedoch um eine überteuerte Servicenummer. Die Kosten für die Gespräche werden über die Veranstalter abgerechnet. 

Strategien 

Die Verkäufer gehen in der Regel so geschickt vor, dass auch anfangs skeptische Teilnehmer durch die massiv beeinflussenden Präsentationen bereit sind, etwas zu kaufen.

Zusätzlich heizen vom Veranstalter organisierte Scheinkäufer den Verkauf an, indem sie lobende Kommentare zu Qualität und Preis der angebotenen Waren abgeben. Durch diese positiven Stimmen werden die Teilnehmer regelrecht zum Kauf überredet.

Waren werden zunächst zu extrem hohen Phantasiepreisen angeboten und dann immer weiter preislich gesenkt. So soll der Eindruck eines besonders günstigen Angebots erweckt werden.

In Einzelfällen stellten die Veranstalter bei der Busfahrt die Klimaanlage auf die höchstmögliche Kühlung und erklärten dies mit einem technischen Defekt, um so den Verkauf von Decken anzukurbeln.

Drohungen 

Die Veranstalter drohten den Teilnehmern,

  • dass angekündigte oder versprochene Besichtigungen oder Stadtrundgänge nicht durchgeführt werden,
  • oder die Rückfahrt erst angetreten wird,
  • oder die Mahlzeiten erst ausgeteilt werden,

 

wenn eine „ausreichende“ Menge der angebotenen Artikel verkauft wären. Diese Drohungen wurden meistens vom Begleitpersonal geäußert. So können die Moderatoren bzw. Verkäufer mit ihren Verkaufsveranstaltungen fortfahren und müssen sich nicht mit dem Unmut oder eventuellen Beschwerden der Reisenden auseinandersetzen.

Weitere beteiligte Unternehmen und Personen wie die Busunternehmen, ihre Fahrer und die Betreiber der Lokalitäten nehmen das hochgradig unseriöse und zweifelhafte Geschäftsgebaren der Kaffeefahrten-Veranstalter und ihres Personals häufig zumindest billigend in Kauf. Sie verdienen schließlich mit an dem Geschäft.

Ihre Rechte 

Falls Ihnen vertraglich eindeutig vereinbarte Reiseleistungen verwehrt wurden, fordern Sie die Einhaltung mit Nachdruck. Lassen Sie sich außerdem nach der Reise beraten, wie Sie weiter vorgehen können. Notieren Sie dazu wichtige Informationen wie Namen von beteiligten Personen oder Unternehmen.

Eine mehrtägige Reise, die beispielsweise aus einer Busfahrt und einer Unterkunft besteht, gilt als Pauschalreise. Sie unterliegt speziellen rechtlichen Regelungen. Das bedeutet, dass Sie Reisemängel reklamieren und eine Preisminderung fordern können.

Gehen Sie dabei folgendermaßen vor: dokumentieren Sie die Mängel, beschweren Sie sich beim Veranstalter und fordern Sie die Beseitigung mit einer angemessenen Frist. Im Anschluss können Sie einen Teil des Preises zurückfordern für die Zeit, in der die Reise durch den Mangel beeinträchtigt war.

Dokumentieren Sie ebenfalls Fälle von versuchter Freiheitsberaubung, wenn Sie am Verlassen der Verkaufsveranstaltung gehindert werden oder von Nötigung, wenn Sie zum Kauf gezwungen werden. Notieren Sie unzulässige Werbeaussagen, beispielsweise zu angeblichen Wunder- und Heilwirkungen von Nahrungsergänzungen, um sie später zur Anzeige bringen zu können. Hierbei kann ein Smartphone mit seiner Foto- und Videofunktion hilfreich sein.

Widerruf

Haben Sie auf der Kaffeefahrt Waren gekauft oder Verträge unterschrieben, die Sie bei genauerer Prüfung nicht behalten möchten, können Sie von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Es gilt bei dem Kauf oder Abschluss von Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen.

Für den Widerruf haben Sie 14 Tage Zeit. Widerrufen Sie schriftlich, am besten per Einwurf-Einschreiben ohne die Angabe von Gründen. Wurden Sie nicht über Ihr Widerrufsrecht informiert, verlängert sich die Frist für den Widerruf. Sie beträgt dann ein Jahr und 14 Tage.

Für Verkaufsfahrten ins europäische Ausland gelten die EU-Regelungen. Bei Fahrten, die nicht in EU-Länder führen, sind die Gesetze des jeweiligen Landes anzuwenden. Hier gibt es jedoch Ausnahmen, bei denen nach deutschem bzw. europäischem Recht widerrufen werden kann. Nutzen Sie daher unbedingt eine fachliche Beratung.

Rechtliche Regelungen

Sie verbieten seit Ende Mai 2022 den Verkauf von Nahrungsergänzungen, Medizinprodukten, Versicherungen und Bausparverträgen auf Kaffeefahrten. Vorgeschrieben sind außerdem die Angabe des Veranstaltungsortes, der Kontaktdaten des Veranstalters und Informationen zu den angebotenen Waren. Weiterhin müssen die Veranstalter die Reisenden über ihre Rechte informieren. Bei Verstößen werden deutlich höhere Bußgelder als bisher fällig.